20.05.2007

Bericht 2007 für die CBM über die Mitarbeit im "Projeto Menino Jesus de Nazaré"
in Cruzeiro do Sul sowie in Mâncio Lima, Rodrigues Alves und Guajará / Brasilien - Acre


Dr. Biskup bei der Untersuchung.
Dr. Biskup bei der Untersuchung.

Zum Projekt in diesem Jahr:
Über meinen 1. Projekteinsatz im Jahr 2004 sowie über den 2. Besuch zusammen mit meiner Frau im September 2005 hatte ich bereits berichtet. Ebenso dann mit Bericht vom Dezember 2006 über die gemeinsame Projektmitarbeit zu dritt im Oktober - November 2006 (Eheleute Biskup und Nina Heyd).

Aus 2005 liegt zudem ja die sozialmedizinische Auswertung durch Ina Staben vor: "Was bringt das Projekt für die Familien?"

Die Anzahl der im Projekt betreuten Kinder ist nach Angaben von Pater Douteil und den Coordenadores inzwischen auf mehr als 260 Kinder angewachsen.

Die mir Ende des Jahres 2006 zur Verfügung stehende Zeit hatte nicht ausgereicht, alle Kinder zu untersuchen, wie es erforderlich gewesen wäre; - u. a. wegen der Schulungskurse, die Monika Biskup und Nina Heyd für die Anleitung der Orientadoras hielten / es stand ja auch nur 1 Fahrzeug zur Verfügung und die Wege sind sehr weit!

Deshalb kam es zu dem Entschluss für den jetzigen neuen Besuch.

Therapie
Eduarda bei Therapie

Zu den Personen:
Auf Grund unserer Brasilianisch-Kenntnisse kamen wir inzwischen bei der Arbeit relativ gut ohne Dolmetscher aus. So ist jeder Patientenkontakt natürlich viel unmittelbarer.
Nina Heyd kann sich allerdings - im Gegensatz zu mir - durch ihren längeren und zusammenhängenden Aufenthalt im Lande ganz hervorragend, sozusagen "flüssig", auf brasilianisch verständigen. Das half bei der Arbeit mit den in der Sprachentwicklung behinderten Kindern natürlich ganz erheblich.

Nur bei schwierigen Themen waren gelegentlich jedoch die Coordenadores Valdenísio Leitâo oder Valderí de Souza eine notwendige Hilfe bei der Kommunikation mit den Eltern, die selbst ja kaum gewöhnt sind, mit Ausländern zu sprechen.

Ganz besonders nach diesem erneuten Arbeitseinsatz in Cruzeiro do Sul und den umliegenden Landkreisen bin ich durch die intensive gemeinsame Arbeit mit Frau Heyd noch stärker als zuvor sehr beeindruckt von ihrer umsichtigen, außerordentlich engagierten und auf großem Wissen beruhenden Arbeitsweise als Logopädin.

So ist ihre Mitarbeit im Projekt wirklich ein enormer Gewinn.

Die Auswahl, welches Kind erstmalig oder erneut dem Kinderarzt vorgestellt werden sollte, habe ich im Prinzip wieder den jeweils zuständigen Projektmitarbeitern überlassen. Das hat sich bewährt, da sie am besten beurteilen konnten, wo sie ganz wichtige Fragen an den Kinderarzt aus Deutschland zu stellen hätten. Andererseits konnte ich auch viele Kinder untersuchen - meist zur Verlaufskontrolle -, die ich aus den früheren Jahren kannte und die ich unbedingt wieder sehen wollte.

Wie üblich haben wir die Kinder jeweils bei sich zuhause aufgesucht, die aktuelle Lage und ggf. beobachtete Veränderungen besprochen, sie ärztlich untersucht und die Familie beraten sowie mit der jeweils zuständigen Orientadora den (weiteren) Therapieplan besprochen.

Die Hausbesuche bieten ganz überwiegend Vorteile, wie schon früher ausgeführt! Andererseits sind sie natürlich sehr zeitaufwändig. Dies gilt sowohl für die ärztliche Untersuchung in der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit wie insbesondere auch für die regelmäßigen "therapeutischen Hausbesuche" der Orientadoras.
Trotzdem befürworte ich, diese Regelung unbedingt beizubehalten!

Krankengymnastik
Krankengymnastik

Untersuchungszahlen in März / April 2007 (Kontrollen + Neuaufnahmen):

In Cruzeiro do Sul: 46
In Mâncio Lima: 39
In Rodrigues Alves: 18
In Guajará: 31
Zusammen: 134 behinderte Kinder

Zu den Behinderungen:

a) Bei den schwerstmehrfach behinderten Kindern gilt das zuletzt im Bericht für 2006 Gesagte weiterhin. Es gibt erwartungsgemäß keine wirklich großen "Fortschritte", aber oft Pflegeerleichterungen durch verbesserte passive Beweglichkeit und größere Zufriedenheit der Kinder! Gerade die Eltern dieser Patienten sind meist enorm dankbar für die Zuwendung und Betreuung im Projekt.

b) Die meisten Kinder mit Choreo - Athetose mit ihrer enormen Rumpfinstabilität haben sich unter der nun schon seit 2003 laufenden Physiotherapie spürbar weiter gebessert. Durch die verbesserte Haltung von Kopf und Hals ist ihre Aufnahmefähigkeit und das Aufnehmen und Lernen erleichtert. Ein enorm wichtiger Fortschritt konnte durch die angeschafften, relativ gut adaptierten ‘Stühle mit Arbeitstisch’ bei den meisten so versorgten Kindern erreicht werden.

Sie sitzen jetzt freier und stabiler, können die Hände zum Spielen, zum Greifen oder zum Essen nutzen und können somit besser Be-Greifen, anstatt sich nur stabilisieren und abstützen zu müssen. Sie sitzen daher am liebsten "von früh bis spät nur noch in ihrem Stuhl" - die Welt sieht so für sie auch ganz anders aus!

Gerade diese Gruppe der choreo - athetotisch betroffenen Kinder, - die überwiegend von intellektueller Seite wesentlich leistungsfähiger sind als körperlich - hat inzwischen sehr von dem neuen Therapie - Angebot der Sprachtherapie / Logopädie profitiert!

Gerade für mich als Ausländer sind mehrere dieser Kinder (z. B. Rita, Roberta, Natália.,.) sprachlich eindeutig besser zu verstehen! Ein beeindruckender Fortschritt.

Heilpädagogik
Heilpädagogik

c) Auch bei den halbseitig Gelähmten (Hemiplegie) konnte ich fast bei jedem Kind auch jetzt wieder Verbesserungen, sowohl im Gangbild wie in der Handmotorik feststellen: bessere Nutzung der behinderten Hand als "Hilfshand", mehr Geschicklichkeit etc. Mit (kleinen) weiteren Fortschritten durch regelmäßige Krankengymnastik darf man also rechnen.

Die seit etwa Anfang 2006 vertraglich geregelte Einbindung (Teilzeit) der einheimischen Physio-Therapeutin Venilza ins Projekt hat sich aus meiner Sicht sehr bewährt.

Sie untersucht weiterhin spätestens alle 3 Monate jedes motorisch auffällige Projekt-Kind, gibt somit individuelle Empfehlungen für die weiteren Therapieschritte und schult an einem Nachmittag der Woche jeweils 2-3 Orientadoras durch die Supervision von deren Behandlungen am Kind. Das gibt viel Sicherheit und zunehmende Erfahrung.

d) Bei den Geistigbehinderten gilt ebenfalls das in 2006 Gesagte:

Kinder mit DOWN-Syndrom zeigen die deutlichsten Lernfortschritte. Bei den anderen geistigen Behinderungen kann man nur auf den einen oder anderen bescheidenen Fortschritt hoffen.

e) Bei den Schwerhörigen / Taubstummen blieb die Zahl konstant. Nach den 2 Einführungskursen in die Gebärdensprache "LIBRAS" gibt es erste erfreuliche Ansätze zur Hilfe bei der sozialen Integration. Das gelingt am ehesten natürlich bei Jugendlichen mit guter Intelligenz, die deshalb am ehesten die (brasilianische) Gebärdensprache erlernen können.

Wir haben inzwischen versuchsweise 4 Kinder mit Hörgeräten aus Deutschland versorgt. Das soll fortgesetzt werden. Bisher 2 dieser Kinder mit "Resthörigkeit" profitieren sicher davon. Schwierig ist aber z.B. der Nachschub geeigneter Batterien!

Meine zusammenfassende Bewertung des Arbeitsbesuches im Frühjahr 2007:

1.) Jetzt stehen regelmäßig die allgemein anerkannten und notwendigen vier Therapie-Elemente der Behindertenarbeit auch in diesem Projekt zur Verfügung:

  • Physiotherapie / Krankengymnastik,
  • Ergotherapie,
  • Heilpädagogik,
  • Sprachtherapie / Logopädie (seit Oktober 2006)

Diese Situation ist bei den Untersuchungen sehr spürbar an den Fortschritten zu erkennen.

2.) Bei zahlreichen Kindern fand ich wieder eindeutige Verbesserungen: nicht zuletzt möchte ich hier die Erfolge in der verbesserten Mundmotorik mit gut erkennbaren und "hörbaren", verständlicheren sprachlichen Äußerungen erwähnen (vgl. oben Behinderungen, Abschnitt b). Die Dankbarkeit der Familien und das Glück dieser Kinder ist wohl verständlich.

3.) Mit Freude und Begeisterung möchten Nina Heyd und ich auch dieses mal wieder voller Dankbarkeit das enorme Engagement, die Einsatzfreude und auch die individuellen "Entwicklungsfortschritte der Team-Mitarbeiter" hervorheben.

Ebenso bei den drei Coordenadores (Valdenísio, Valderí und Silvanir) wie bei allen Orientadoras in Cruzeiro do Sul selbst wie auch in den 3 umliegenden Landkreisen.

Die Projektarbeit in Mâncio Lima, Rodrigues Alves oder auch in Guajará läuft inzwischen auf absolut gleich hohem Niveau wie in Cruzeiro do Sul!

4.) Die dauerhafte vertragliche Einbindung der einheimischen, diplomierten Physiotherapeutin Venilza hat sich bestens bewährt und muss fortgesetzt werden für die Weiterentwicklung der Mitarbeiter!

5.) Regelmäßige "Auffrischungen", d.h. immer wieder anzubietende Fortbildungen für die angelernten einheimischen Orientadoras in den Methoden der Heilpädagogik, der Ergotherapie und auch der Logopädie werden notwendig sein, um den Stand zu halten bzw. die Qualifikationen der Projektmitarbeiter weiter zu steigern. Wir hoffen, immer wieder einmal deutsche Fachkräfte für solch eine Aufgabe begeistern zu können.

Logopädie
Logopädie

Abschließend bedanke ich mich ganz herzlich bei Pater Herbert Douteil als dem "Motor" des Projektes wie auch bei jedem Einzelnen vom Team für die wiederum ganz hervorragende Zusammenarbeit in diesen schönen Wochen im Acre.

Das Projekt ist weiter auf einem sehr guten Weg und wir wünschen allen weiterhin viel Erfolg und Gottes Segen bei der so lohnenden Arbeit.

Hoffentlich wird die Finanzierung nie zum Problem! Vom Fachlichen her, von der Motivation und der Eigeninitiative und dem Einsatz der Mitarbeiter zeigt das ganze Team sehr viel Selbstständigkeit und gibt uns somit die Hoffnung auf eine langfristige Fortführung des "Projeto Menino Jesus de Nazaré" - zum Wohle der behinderten Kinder im Acre!

Dafür unser herzlicher Dank!

Wir alle - meine Frau, die diesmal nicht dabei sein konnte, ich selbst aber sicherlich auch Nina Heyd -hoffen sehr, dass wir demnächst wieder einmal beim Projekt mitarbeiten können, se Deus quiser!

Dr. med. Lothar Biskup

D-41464 Neuss, den 20. Mai 2007





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