P. Herbert Douteil CSSp
Bauernhof der Hoffnung im Bau
Diözese Cruzeiro do Sul / Brasilien

Missionsarbeit am Oberlauf des Amazonas

Aktuelle Infos
Cruzeiro do Sul, den 06.05.2016

Zur politischen Lage Brasiliens

Hier in Brasilien stehen alle Zeichen auf Sturm - wir müssen nun sehen, wie es weitergehen kann, nachdem am 17.04., im Kongress auf einer etwa neunstündigen Marathonsitzung das Impeachment mit einer relativ klaren Mehrheit von 367 x 137 Stimmen der 513 Abgeordneten beschlossen wurde. Die Präsidentin Dilma Rousseff hat noch einige Winkelzüge frei, auch geht das ganze Verfahren noch an den Senat. Dieser kann die Politikerin der linken Arbeiterpartei (PT) mit einfacher Mehrheit für 180 Tage suspendieren, und danach geht der Prozess an das Oberste Gericht – ob es danach zu Neuwahlen kommt, bleibt also abzuwarten, erst recht, was diese dann bringen. Denn praktisch sind alle Führer der großen und kleinen Parteien und diese selbst in den Korruptionsskandal verwickelt – besonders der Führer der größten Oppositionspartei, der jetzt die Regierung übernehmen möchte, nicht weniger der Vorsitzende des Unterhauses, und von den 130 Mitgliedern des Hauptausschusses sind 34 formell beim Obersten Gericht wegen krimineller oder administrativer Vergehen offiziell angeklagt - der wirtschaftliche und politische Scherbenhaufen für Brasilien ist jedenfalls sehr, sehr groß.

Sie sei Opfer einer großen Ungerechtigkeit, sagte Rousseff in einer ersten Stellungnahme zu der Abstimmung vom Sonntag. Sie habe Stärke, Temperament und Mut und werde weiter kämpfen, und in der letzten Woche sagte sie bei einem offiziellen Staatsbesuch in den USA und vor der UNO, das von der Opposition vorangetriebene Verfahren sei "ein Staatsstreich", da es keine legale Basis habe; dann drohte sie ihren Gegnern damit, eine Suspendierung Brasiliens in der südamerikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Mercosul zu beantragen, sollte sie ihres Amtes enthoben werden – das klingt sehr stark nach dem, was Ludwig XIV. einmal sagte: „Der Staat bin ich“; denn nun vermischt die Präsidentin ihr eigenes Geschick mit dem der Nation.

Gestern las ich in den Nachrichten der Deutschen Welle, dass die Generalstaatsanwaltschaft laut Medienberichten beim Obersten Gerichtshof beantragt hätte, dass im Zusammenhang mit dem Korruptionsskandal gegen die Präsidentin und ihren Amtsvorgänger Luiz Inácio Lula da Silva Ermittlungen wegen Behinderung der Justiz gegen sie eingeleitet werden sollen.

Trotzdem denke ich an die drei brasilianische Sprichwörter: „die Hoffnung stirbt zuletzt“ – „wie schlimm, wenn Gott kein Brasilianer wäre …“ - und „Brasilien war immer noch größer als seine größten Probleme“.

Zur Lage der katholischen Kirche in Brasilien

Nicht gut steht es auch um die katholische Kirche, gegen die die pentekostalen „Wohlfühlkirchen“ zum Generalangriff blasen, die lediglich im gemeinsamen Hass gegen die katholische Kirche geeint sind, aber anscheinend beim einfachen Volk Anklang finden, die diesen Kirchen in Scharen zulaufen; doch sollten wir uns, wie ich glaube, nicht zu sehr verwirren lassen. Ich persönlich halte es mit Cláudio Kardinal Humes, der einmal Erzbischof von São Paulo war und dann nach Rom berufen wurde und bei seinem Besuch hier in Cruzeiro do Sul vor einem knappen Jahr sinngemäß sagte: „Wir dürfen nicht glauben, dass diese „Wohlfühlreligionen“ lange überleben werden – sie scheitern an der Wirklichkeit, an ihrer inneren Widersprüchlichkeit und an der fehlenden Wahrheit, die auch Kreuz und Leid einschließt. Wir hingegen müssen einen kühlen Kopf behalten und unsere wirklichen Stärken in den Werken der Nächstenliebe und der Wahrheitsverkündigung benutzen“ – das bedeutet für mich ganz konkret: Beim „Jesuskind“ für die behinderten Kinder und ihre Familien weitermachen, so lange es geht, den "Hof der Hoffnung" für die Drogenabhängigen weiterhin betreuen – und die täglichen Radiosendungen weiterhin so gut, wie nur möglich, beibehalten – und natürlich davon überzeugt sein und danach leben, dass die Kirche der Mystische Leib Christi ist und wir ihn nicht teilen dürfen. „Wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut“.

Zur Lage unserer Projekte

Unsere Stiftung des „Jesuskindes von Nazareth“ macht mir wirklich Sorgen. Denn durch den Ausfall der Beihilfen von der Christoffel-Blinden-Mission bin ich auf die Hilfe meiner Wohltätern angewiesen und ihnen unendlich dankbar, dass ich mit ihrer Hilfe und der Hilfe der Sternsinger, die dieses Jahr noch einmal großzügig eingesprungen sind, dieses Jahr noch durchziehen kann, um es dann vielleicht geordnet dem Staat übergeben zu können. Voll Dankbarkeit darf ich sagen, dass wir seit 13 Jahren unsere Pflicht erfüllt, in jedem Jahr jeweils mehr als 120 Kinder und ihre Familien begleitet und sie auf die Eingliederung in Schule und Gesellschaft vorbereitet und dafür gesorgt haben, dass alle Kinder nun die ihnen zustehenden Rechte auch wahrnehmen können und ihre Renten erhalten.

Beim Hof der Hoffnung ist die große Werkhalle mit der Bäckerei und der Produktion des Trocken- und Hartgebäcks fertig, in den Fischteichen wächst die nächste Generation der Fische heran, auch sind die Schweineställe, in denen wir Schweine im Auftrag eines Geschäftsmannes züchten, ausgelastet, fertig ist auch das Wohnhaus für die Franziskanerinnen, die die geistliche Betreuung der jungen Leute übernommen haben. Auf diese geistliche Betreuung kommt es ja am meisten an, wenn der Hof wirklich bleibenden Erfolg haben soll.

Meine aktuelle Lage

Meine eigenen Arbeiten gehen trotz des anhaltenden Schwankschwindels weiter, auch die täglichen Radiosendungen, wofür ich mir jetzt durch ein Geschenk einer Freundin hier im Haus ein eigenes kleines Aufnahmestudio einrichten möchte, um die Fahrten zum Radio zu vermeiden – Messen hier im Haus und bei drei Ordensgemeinschaften und in Außenkapellen – Exerzitien für die Seminaristen des Großen Seminars – Beichthören – Vorsitzender des hiesigen Ehegerichtshof zur Lösung der offensichtlichen Ungültigkeitsfälle, wo wir allerdings vorerst noch auf die ersten Fälle warten, die uns von den Pfarrern zugeleitet werden müssen …

Am 1. Mai durfte ich gemeinsam mit Albert Claus und Johannes Henschel auf das 55-jährige Priesterjubiläum zurückschauen – wie dankbar müssen wir sein für diese Gnaden, die wir erhielten und die wir dann verwalten konnten! Darum will ich heute schließen mit dem Text eines hier sehr oft gesungenen und von mir übersetzten Liedes eines unbekannten Verfassers, das ich wohl zurecht auf mich beziehen darf:

Verlaß Dein Land: R.: Zieh fort aus deinem Lande und geh, wohin ich dich führen will. 1°Abraham, zieh nicht weg aus deinem Land, du verlässt dein Haus – was hoffst du zu finden? Die Straße – sie ist doch immer dieselbe, aber das Volk ist fremd und feindselig, wohin hoffst du zu gelangen? Was du verlässt, das kennst du ja schon gut, aber dein Gott, was gibt er dir? - Ein großes Volk, das Land und die Verheißung. - Gottes Wort. - R. 2° Das Netz liegt verlassen am Strande, denn schon folgten jene Fischer Jesus, und indem sie gedankenvoll dahinzogen, stieg still eine Frage in eines jeden Herzen auf: Was Du verlässt, kennst du ja schon gut, aber dein Herr, was gibt er dir? - Das Hundertfache und darüber hinaus die Ewigkeit. - Jesu Wort. - R. 3° Es stimmt, das allein genügt nicht, aufzubrechen – es gibt Leute, die brechen auf, aber geben nichts her, sondern suchen nur ihre Freiheit. Aufbrechen, ja, aber mit Glauben auf deinen Herrn, mit Liebe, die offen ist für alle, dies bringt der Welt die Rettung. Was du verlassen hast, kennst du gut, was du bringst, ist viel, viel mehr: - „Verkünde das Evangelium unter den Völkern“ – Jesu Wort. - R.: Zieh fort aus deinem Lande und geh, wohin ich dich führen will. Zieh fort aus deinem Lande, ich werde bei dir sein.

Cruzeiro do Sul, den 04.05.2016 – Christi Himmelfahrt