P. Herbert Douteil CSSp
Jesus-Schriftzug am Flussufer
Diözese Cruzeiro do Sul / Brasilien

Missionsarbeit am Oberlauf des Amazonas

Einweihung des "Bauernhofes der Hoffnung – Dom Luis Herbst"
(Hilfsprojekt zur Betreuung und Begleitung von bisher drogenabhängigen Jugendlichen)

Cruzeiro do Sul, den 13.12.2010

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Blick auf Wohnblock und Kapelle

Endlich! Endlich konnten wir die lange erwartete Einweihung des"Bauernhofes der Hoffnung 'Dom Luís Herbs'" in Mâncio Lima am gestrigen Sonntag, den 12.12.2010 - dem Fest der Patronin von Lateinamerika, der Muttergottes von Guadalupe - feiern.

Nelson Giovanelli Rosendo dos Santos, der Mitbegründer der Fazendas, der aus São Paulo gekommen war, erwartete und begrüßte mich. Ich erhielt ein neues Hemd der Fazenda, das ich gleich überzog. In der Kapelle war die Einweihungsfeier vorbereitet. Vertreter von Rundfunk und Fernsehen waren zugegen. Einer der Journalisten übernahm meine Kamera und nahm für mich einige Fotos auf. Die Kapelle war bis auf den letzten Platz voll besetzt. Es waren auch alle Mitbrüder gekommen – die Padres Orlando, Carloshenrique, Joachim, Pedro, Fernando, Bruder Albert und Bruder Luiz. Ich wurde mit den anderen Vorstandsmitgliedern Guilherme (Vizepräsident), Alem (Verantwortlicher für die Finanzen) und Paulo Moll (Sekretär), mit Nelson und den Haupt-Ehrengästen (Dom Mosé, je ein Bundestags- und Landtagsabgeordneter und der Bürgermeister) auf das Podium gebeten – ein Platz blieb leider unbesetzt, es war der von Dom Luís, der der neuen Fazenda den Namen gibt und welcher sich noch in Rio Branco in ärztlicher Behandlung befindet.

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Der Ehrentisch mit dem Ehrengästen

Alle jungen Leute, die von verschiedenen Fazendas gekommen waren und diese jetzt vorbereitet hatten, sangen ein sehr ansprechendes Lied, wobei sie Nelson auf der Gitarre begleitete. Alle wurden vorgestellt; einer von ihnen und eine Frau, die durch eine Fazenda im Süden von den Drogen frei gekommen waren, gaben ihr Zeugnis ab, dem alle angespannt zuhörten. – Eine bessere Werbung als diese Zeugnisse kann es nicht geben, und ersetzen viele unsere Predigten!

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Meine Ansprache als Präsident des Bauernhofes

Nun durfte ich als der Präsident der Fazenda als erster von den auf der Bühne Sitzenden sprechen. Ich erinnerte an meinen Kopfstreifschuß am 21.5.1994 in Rio durch die Drogenhändler und die Folgen für die Fazenda: Das mir neu geschenkte Leben verpflichte mich, es auch wirklich einzusetzen. – Es geschah u. a. durch die Gründung der Stiftung "Jesuskind von Nazareth" und jetzt aktuell des "Bauernhofes der Hoffnung" – natürlich sei ich niemals allein tätig, sondern immer mit anderen. Beim "Bauernhof der Hoffnung" sei es der jetzt verwirklichte gemeinsame Traum von Dom Luís, Maria da Paz und Guilherme gewesen.

Alle anderen sprachen von der großen Bedeutung, und besonders die Abgeordneten und der Bürgermeister versprachen jede Form von Hilfe. Nelson sprach sehr klar und ehrlich von den zu erwartenden Enttäuschungen, die die Hoffnung nicht töten dürften. Er sagte sinngemäß: "Natürlich sind wir enttäuscht, wenn von zehn Eingetretenen im Laufe des Jahres neun weggehen, aber wir tun unser Werk ja nicht zur eigenen Befriedigung, sondern zur Ehre Gottes – und Gott hat einen längeren Atem und eine andere Sicht; wie häufig geschieht es, dass jemand, der weg ging, später wieder zurückkehrt, erst dann fähig, sich auf das ganze Programm einzulassen…"

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Nelson, der Mitbegründer der Bauernhöfe, bei seiner Ansprache

Dom Mosé segnete nun die Kapelle, und wir gingen zum Wohnhaus hinüber; dort stellte eine Tanzgruppe das Friedensgebet des hl. Franziskus dar: "Herr, mach aus mir ein Werkzeug deines Friedens…" – Dann öffneten wir, die Verantwortlichen, den symbolischen Knoten und gaben damit den Zutritt offiziell frei.

Alle erhielten einen kleinen Imbiß, die Priester, Brüder, die Schwestern und Jungen das Mittagessen, anschließend hielten wir die Generalversammlung mit Alem, Paulo und João Paulo (dem Leiter der Gruppe der Missionare), in der die nächsten Schritte geplant wurden. Dabei stellte ich fest, dass unsere körperlichen Erscheinungen sehr gut mit unseren Auffassungen übereinstimmen: Bei mir mit meinem 65 kg etwas Ätherisches, fast Träumerisch-Schwebendes – bei den anderen, körperlich so gut Entwickelten (durchschnittliches Gewicht 100 kg), das feste Verwurzeltsein auf und in dem Boden der Tatsachen – eine gute Mischung, wie sich hoffentlich erweisen wird; denn das Leben beginnt ja erst: Mit dem Bau ist nur der leichteste, der erste Schritt, aber noch längst nicht alles getan, nun müssen die praktischen Schritte geplant und getan werden: Wie viele der Missionare können bleiben - wie werden ihre Aufgaben verteilt – wie die ersten Anfragen behandelt – welches werden die ersten Beschäftigungen sein - was muß möglichst bald noch angeschafft werden … - bei allen Fragen bewundere ich Guilherme mit seiner praktischen Ausrichtung, Alem mit seiner Ehrlichkeit und der Übersicht über die Finanzen, vor allem Nelson mit seinen vielen Erfahrungen von anderen Fazendas.

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Bei der Lösung des symbolischen Knotens, der das Haus noch verschloss

Immerhin sind wir jetzt die 74. (vierundsiebzigste) Fazenda, und nicht alle liefen und laufen reibungslos! Diese manchmal auch bitteren Erfahrungen helfen uns, hier ähnliche Fehler zu vermeiden. Eine große Hilfe wird auch das Internet sein. Denn jeden Monat gibt es darin eine verbundene Telekonferenz mit der Zentrale in Guaratinguetá bei São Paulo. Wer hätte diese Möglichkeit vor einigen Jahren gekannt, wer hätte sie nutzen können, wie dies jetzt geschieht?

Der gestern gemachte und angenommene Vorschlag war, dass wir möglichst bald etwas produzieren, was in anderen, vergleichbaren Bauernhöfen unserer Region (Manaus, Sena Madureira) erzeugt wird und leicht abgesetzt werden kann. Das ist Gebäck, das sind Marmeladen und Fruchtsäfte. Für das Gebäck benötigen wir jetzt eine Mischmaschine und einen Herd, dazu Arbeitstische – eine Erinnerung an die elterliche Backstube kommt bei mir natürlich hoch -, für die Herstellung von Fruchtsäften und Marmeladen Ähnliches. Es kam der vernünftige Vorschlag, dass wir genau dieselben Maschinen anschaffen, die auch die anderen Bauernhöfe besitzen und die sich dort bewährt haben. Die drängende Frage ist jetzt nur, woher wir das benötigte Geld bekommen – ca. 30.000 Reais, das sind ca. 13.000 Euro. Ich mußte gestehen, dass ich alle meine Vorräte für die Fertigstellung der Kapelle und des Wohnhauses zur Verfügung stellte. Mal sehen, ob Dom Luís noch einmal helfen kann!

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Dom Mosé, der die Einweihung von Kapelle und Wohnhaus vornahm

Nach einer guten Stunde war die Versammlung beendet, dann hatte ich noch in der Kapelle zum Abschluß die Abendmesse mit den Jungen, die sehr begeistert Lieder der Fazenda sangen. Nelson spielt sehr gut Gitarre. Die meisten Lieder sind von früheren Drogenabhängigen gedichtet und komponiert und in einem eigenen Liederheft zusammengestellt. Man kann sich die Begeisterung, mit der die Jungen sie sangen und wie Nelson sie begleitete, kaum lebendig genug vorstellen – denn sie legen in ihren Gesang all ihre Sehnsucht, alle unterschwelligen Verlangen nach Frieden, nach Liebe, nach Freundschaft mit Christus und den anderen. Auch dies gehört ja mit zum Heilungsprozeß, der nicht ohne Rückschläge und Schwierigkeiten abläuft.

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Bei der Abendmesse, die ich mit den Missionaren am Abend feiern konnte

Am Ende der Messe betete ich mit ihnen eine frei formulierte Danklitanei. Jeder fügte einen eigenen, persönlichen Dank ein, erst dann kam es zum Friedensgruß, den ich bewußt bis hier aufgespart hatte. Vor der Kommunion gibt dies sonst immer ein schreckliches Gelaufe, ein Umarmen und eine Unruhe, von der ich mich nicht leicht auf den Empfang der Kommunion konzentrieren kann.

Nach der Messe verabschiedete ich mich. Nelson bleibt noch heute, er wird mit den anderen bestimmen, wer hier bleibt, wie die ersten Schritte gemacht werden – nun müssen wir das ganze Werk dem Herrn und seiner Mutter übergeben. Die Kapelle ist dem Heiligen Antlitz Christi geweiht, den Bauernhof haben wir am Fest der Patronin von Lateinamerika offiziell eröffnet, nach Dom Bosco, dem großen Patron der Jugendlichen, ist der Wohnbau benannt – was könnte da noch schief laufen??! Vergessen wir aber nicht, dass auch der Teufel größtes Interesse an dieser neuen Fazenda hat – beten wir, dass der Heilige Geist immer Herr auch unserer Gedanken und Werke bleibt!